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Thomas Bernhard - Aus Opposition gegen mich selbst
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Bernhard, Thomas:
Aus Opposition gegen
mich selbst

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(Bücher frei Haus)

Bernhard war in seinen späten Fünfzigern verstorben, zu Beginn des Jahres 1989 schon. Eine erste Lesebuch-Anthologie hatte sein Lektor Raimund Fellinger wenige Jahre später zusammengestellt. Als im Jahr 2011 zum achtzigsten Geburtstag des notorischen Grantlers ein weiteres, hübsch aufgemachtes Lese- & Taschenbuch erschien, war man gespannt, ob im Zuge der in diesen Jahren allmählich entstehenden großen, kommentierten Leinen-Gesamtausgabe wohl aufregende, bisher noch an keiner Stelle gedruckt vorliegende Erzählungen, Briefe, Interviews, Kommentare, Leserbriefe, Gedichte, Fragmente aus nie abgeschlossenen Romanen auftauchen würden

Dergleichen findet sich jedoch fast gar nicht. Viele Seiten des zweiten Bernhard-Lesebuchs gehen aufs Konto der Theaterstücke, die reichlich Platz brauchen; Bernhard ließ sie im rechts flatternden Zeilenumbruch setzen, etwa wie Versdramen, die es dann doch nicht waren.

Man bekommt den langen „Schweinehüter“ aus den fünfziger Jahren zu lesen, als Thomas Bernhard es - zu unser aller Überraschung - noch für nötig hielt, der Erzählung ein mehr oder weniger „katholisches“ Ende zu geben. Man bekommt aus „Amras“, zwei Brüder, die ohne ihre Eltern aufwachsen, eine männliche Nacktszene, noch nicht das Homoerotischte, was sich in Bernhards bekannt asexuellem Werk finden ließe. Man bekommt einen erst im Rahmen der Werkausgabe herausgekommenen Einakter, „Die Erfundene“, weiß dann aber nicht, wozu dieses Geschenk eigentlich gut sein könnte. Sonst „das Übliche“, von Auszügen aus den ORF-Fernsehinterviews mit Krista Fleischmann bis zum Brief an seinen Verleger Siegfried Unseld.

Auf jeden Fall dürfte es kein Fehler gewesen sein, dass Fellinger sich um die nur selten irgendwo noch erwähnten Kurzprosasammlungen „Der Stimmenimitator“ und „Ereignisse“ gekümmert hat, mit denen Bernhard selbst schon Zusammenstellungen liegen gebliebener Texte der frühen Zeit editiert hatte. Dort erleben wir ihn noch mal vor Vollendung seines Warenzeichen-Sprachstils, der langen Sätze, der kurz aufeinander folgenden Wiederholungen. Das klang noch ungewohnt kafkaesk, Traum-artig und vielleicht sogar „sozialistisch“. Wegen seiner Vergangenheit beim Salzburger SPÖ-Blatt galt Bernhard ja allgemein als linker Autor, bis er zum Ende der siebziger Jahre auf seine dann noch oft wiederholte polemische Behauptung kam, alle Österreicher seien nationalsozialistisch in ihrem Herzen - und daher wären die SPÖ-Genossen (mitsamt ihrem Kanzler) rot angestrichene Nazis.

Zitat:

Er kommt auf die Idee, den oder die Mörder suchen zu lassen. Zu diesem Zwecke organisiert er einen Apparat von Beamten, die er hoch bezahlt. Schon wenige Tage später ist ein Mörder gefunden. Obwohl der Großgrundbesitzer weiß, daß es sich bei dem Mann, der völlig unbekannt ist, nicht um den Mörder handeln kann, läßt er ihn einem Gericht ausliefern, das ihn zum Tode verurteilt. Der Mörder wird hingerichtet. Auf diese Weise finden die Beamten noch viele Mörder. Sie finden schließlich genauso viele Mörder als es Ermordete gibt. Sie alle werden hingerichtet und auf dem Grundstück des Großgrundbesitzers eingegraben. Jetzt erwacht der Großgrundbesitzer und steht auf. Er geht in den Wald, um festzustellen, wieviel und welche Bäume er noch diesen Herbst schlagen lassen wird. Diese Frage beschäftigt ihn schon tagelang.


[*] Diese Rezension schrieb: Klaus Mattes (2014-12-19)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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