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Volker Berghahn - Der Erste Weltkrieg
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Berghahn, Volker:
Der Erste Weltkrieg

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(Bücher frei Haus)

„Deutschland hat Russland den Krieg erklärt. – Nachmittags Schwimmschule.“ Franz Kafka am 2. August 1914 in sein Tagebuch. Ganz so unprätentiös wird der Beginn des Ersten Weltkriegs wohl nicht aller Orten aufgenommen worden sein, aber tatsächlich war man sich damals natürlich der bevorstehenden „Urkatastrophe“ noch nicht bewusst, denn eigentlich sollte es nach dem Attentat auf Thronfolger Franz Ferdinand nur eine Strafexpedition gegen Serbien werden. Russland als Protektor des Panslawismus mobilisierte bald nach Ablauf des österreichischen Ultimatums seine Truppen und das Deutsche Reich ordnete die Generalmobilmachung an. Während es sowohl Serbien als auch Russland darauf abgesehen hatten, das Osmanische Reich am Balkan zu beerben, wollte der Zweibund sich seine Großmachtstellung in Mitteleuropa sichern, ohne dabei als Aggressor zu erscheinen. Aufgrund der Bündnisverträge „schlidderten“ (O-Ton Berghahn, sic!) alle Großmächte dann gemeinsam in den Krieg.

Paradoxe Situationen
Der Autor versucht auf möglichst viele Ansätze Bezug zu nehmen, beginnend mit der großen Politik der Entscheidungsträger sowie deren Verantwortung für den Ausbruch und Verlauf des Krieges. Auch die Entwicklung an der Front und Heimatfront sowie die Interaktion zwischen Führung und Bevölkerung und schließlich die revolutionären Umwälzungen von 1917/18 werden berücksichtigt. So führte der Krieg („Wettrüsten“) einerseits zwar zur Modernisierung der Produktion, aber andererseits auch zur Vernachlässigung der Ernährungssituation der Bevölkerung. In England allerdings ergab sich auch eine paradoxe Situation: noch vor dem Krieg waren die meisten Menschen unterernährt und die jungen Männer wurden deswegen oft für untauglich erklärt: „So kam es zu der paradoxen Situation, dass die Kindersterblichkeit in England und Wales von 100 Indexpunkten im Jahre 1911/13 auf 87 Punkte im Jahre 1918 zurückging, während die Zwanzigjährigen an der Front wie Fliegen starben“, schreibt Berghahn.

Präventivkrieg gegen Russland?
Die auf einer Aussage von Helmuth Moltke (OHL) beruhende Annahme, dass Russland in zwei oder drei Jahren eine militärische Übermacht hätte, führte im Deutschen Reich auch zur Befürwortung eines Präventivkriegs, denn darin stimmten der Kaiser in Wien und Berlin überein: Jetzt oder nie. Natürlich sollten die Russen als Angreifer dargestellt werden und so gelang es Berlin die Mobilmachung solange hinauszuzögern, bis Russland die Teilmobilmachung - aufgrund der Größe des Landes - begonnen hatte. 1914 existierte noch die „Illusion des kurzen Krieges“, dem Blitzkrieg oder der „attaque brusque“, denn der Schlieffenplan ging davon aus, das neutrale Belgien einfach überrennen zu können und so Paris in einer Zange einnehmen zu können, um dann gegen Russland zu marschieren. 40 Divisionen warf man an die Westfront, vorerst nur neun an die Ostfront. Doch mit der Verletzung des neutralen Belgiens, trat auch Großbritannien in den Krieg.

Tote wohin man blickt
Schon in den ersten zwei Monaten belief sich die Gesamtzahl der Toten auf 3,5 Millionen. Von den Eingezogenen (D: 11; Ö/U 6,5, Osmanisches Reich 1,6; GB: 7,4; F: 7,5; R: 12; Italien 5,5; USA: 4,2) fielen im Laufe des Krieges folgende: Deutschland: 4,2; Ö/U 3,6; Osmanisches Reich: 400.000; GB: 2,1 F: 2,7; Russland: 4,9; Italien: 947.000; USA: 204.000. Unterstützend auf Seiten des Zweibunds griff Bulgarien Ende 1915 bei der Eroberung Serbiens ein. Das Osmanische Reich unter Enver Pascha schlug sich nach einer nicht gewährten Anleihe aus Frankreich auch auf die Seite Berlins und beschoss das russische Odessa. Italien wiederum erklärte sich am 3. August 1914 für neutral, um ab Mai 1915 dann aufgrund territorialer Versprechungen (Südtirol, Trentino, Triest, dalmatinische Küste, nördliches Albanien und Dodekanesische Inseln) auf Seiten der Alliierten zu kämpfen und erklärte so auch den Habsburgern den Krieg. Aufgrund des Seekrieges gegen Großbritannien griff ab 1917 dann auch die USA in den Krieg ein, was Deutschland endgültig den Garaus machen sollte.

„Brot, Land und Frieden“
Deutschland hatte sich aber nicht nur mit seiner Marine übernommen, sondern war bald auch innenpolitisch gefährdet, dabei spielte besonders die Erklärung von bestimmten Kriegszielen eine große Rolle. Die Teuerung betrug damals 78%, Frauen mussten die Arbeit der Männer machen, ohne ein Wahlrecht zu haben. In Russland führte dieselben Umstände zur Oktoberrevolution, „Brot, Land und Frieden“ war die Parole gewesen, die den Bolschewiki zum Sieg in den Sowjets und über die Provisorische Regierung von Kerensky half. Das Warten auf die Weltrevolution konnte die Sowjet dann noch bis März 1918 hinauszögern, doch dann verlangten die Deutschen einen Friedensvertrag, der Russland stark verkleinerte. Auch die Versprechen demokratischer Reformen konnten dann aber in Deutschland nicht verhindern, dass auch ihr Kaiser gestürzt wurde. Die „preußische Militärjunta“ wollte den Krieg aber immer noch gewinnen. Am 9. November rief der Sozialdemokrat Philip Scheidemann die Republik aus. Der Rat der Volksbeauftragten verzichtete zugunsten eines sozialdemokratischen Reichspräsidenten Ebert auf seine Machtübernahme, nachdem die führenden Spartakisten getötet worden waren und auch in anderen Ländern die Räterevolution keine Chance hatte. Mit Hilfe Wilsons 14 Punkte zur Selbstbestimmung der Völker wurde ein „cordon sanitaire“ errichtet, der Mitteleuropa künftig vor der russischen - nunmehr sowjetischen Bedrohung schützen sollte. Der Grundstein zum Zweiten und zum Kalten Krieg war somit schon 1918 gelegt worden

Volker Berghahn schildert in seiner konzisen Darstellung die Ursprünge und den Verlauf des Krieges, die Rolle der politischen, wirtschaftlichen und militärischen Eliten sowie die Kriegserfahrung der Soldaten. Das Buch endet mit einer Darstellung des Zusammenbruchs erst des russischen Zarenreichs 1917 und dann der beiden mitteleuropäischen Monarchien ein Jahr später vor dem Hintergrund eines totalen Krieges, bei dem es letztlich keine Sieger mehr gab.

Volker Berghahn
Der Erste Weltkrieg
Berghahn, Volker
Der Erste Weltkrieg
4. Auflage 2009. 120 S.: mit 4 Karten. Paperback
ISBN 978-3-406-48012-6
Das Werk ist Teil der Reihe:
(C.H.Beck Wissen; 2312)

[*] Diese Rezension schrieb: jürgen Weber (2016-06-01)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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