Philip Roth war es, der in seinem Roman Der Menschliche Makel ein Thema aufgegriffen hatte, das zu Ende der Ära Clinton in den USA die Gesellschaft tief verunsichert und letztendlich gespalten hat. Die gute Absicht, Minderheiten aller Art vor Diskriminierung zu schützen, führte zu einer moralistischen Verselbständigung, die nahezu eine Zerstörung des gesellschaftlichen Vertrauens geführt hat, wie man es vorher glaubte nur bei Erscheinungen wie der Kulturrevolution im fernen China erlebt zu haben. Es war in den USA die Hochzeit der political correctness, die wahnwitzige Formen annahm und viele intellektuelle Biographien ruinierte.
Der Regisseur Robert Benton griff die Romanvorlage auf und machte daraus mit Darstellern wie Anthony Hopkins und Nicole Kidman einen Film, der heute, im zeitverzögert und ähnlich absurd agierenden Deutschland nicht aktueller sein könnte. Der vermeintlich jüdische, in Wahrheit aber afro-amerikanische Universitätsprofessor Coleman Silk (!), dargestellt durch Anthony Hopkins, wird aufgrund einer Äußerung hinsichtlich fehlender Studenten, die noch nie präsent waren, aus dem Universitätsbetrieb relegiert. Das Gremium der Hochschule kritisiert ihn wegen der Formulierung „dunkle Gestalten“ des Rassismus. Am Ende der tribunalistischen Diskriminierung steht der Tod seiner Frau und das Ende seiner professoralen Existenz.
Coleman Silk wendet sich an den Schriftsteller Nathan Zuckerman, der seinerseits zum Chronisten und Erzähler der absurden Geschichte avanciert. Gleichzeitig entwickelt der gestrandete Silk eine Beziehung zu der jungen, existenziell zerstörten Gelegenheitsarbeiterin Faunia, ihrerseits durch Nicole Kidman dargestellt. Das Liebesverhältnis, seinerseits wiederum im Middle Class Athena ein Skandal, zeigt Coleman Sild die Relativität seiner eigenen Demontage. Faunia, deren Kinder verbrannten, deren Mann ein Vietnam-Veteran und Psychopath ist und die als Kind missbraucht wurde, zeigt Silk die wahren Tiefen gesellschaftlicher Ächtung und individuellen Leids.
Szenisch ist die Relativität diskriminatorischer Betroffenheit intelligent komponiert. Durch Retrospektiven von Silks eigener Biographie, als „weißer“ Sohn in einer schwarzen Familie, sein Scheitern mit einer Weißen skandinavischer Abstammung, deren Diskriminierung durch seine eigene Mutter, bis hin zu seiner Lossagung von der Enge seiner familiären afro-amerikanischen Identität, wird der Film zu einem multi-dimensionalen Spektrum von Selbstbetrug und Ignoranz.
Der Rahmen, der das Desaströse eines schwindenden kritischen Bewusstseins und die damit einhergehende moralistische Diktatur zum Thema hat, wird immer wieder gesprengt, um die Eigenverantwortlichkeit des Individuums gegenüber der eigenen Biographie zu verdeutlichen. Die wahre Gefahr geht von den Katecheten der political correctness aus, ohne dass die Verantwortung der Geschädigten geleugnet wird. Das ist große Literatur, das ist großer Film!
[*] Diese Rezension schrieb: Gerhard Mersmann (2011-05-21)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.