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Holger Benkel - Gedanken, die um Ecken biegen

Dank des Kurznachrichtendienstes Twitter ist der Aphorismus in Form des Mikroblogging eine auflebende Form. Bestand die Modernität des Aphorismus bisher in seiner Operativität, so entspricht diese literarische Form im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit der Denkgenauigkeit der Spätmoderne. Es ist sozusagen Twitteratur.

Holger Benkels »Gedanken, die um Ecken biegen« gehen jedoch weiter als der geschriebene Text; sie sind kein Ende, sondern ein Anfang. Sie versuchen, diesen kleinen Rest an Sprache etwas aufzuhellen, und wagen es seine Ränder verstehbar zu machen. Benkels Aphorismen folgen keinem linearen und systemischen Denken, sie entfalten sich vielmehr assoziativ und labyrinthisch. In seinen Aphorismen gehen Poesie und Sprachkritik ineinander über.

Der Aphoristiker spricht seine Gedanken frei und verfolgt sie nicht. Benkels Aphorismen sind eine Prosaform zwischen Poesie und Philosophie, verwandt mit Essay, Sprichwort und Epigramm. Ein Genre der Gegensätze: knapp gefaßt, aber weit gedacht, pointiert formuliert, aber metaphorisch offen, sehr subjektiv auf den Begriff gebracht, aber mit Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Diese »Gedanken, die um Ecken biegen« sind kurz, konzise, rhetorisch markant, nichtfiktional und stehen für sich allein, sind also nicht Teil eines längeren Textes. Benkel arbeitet oft mit sprachlichen Mitteln wie Antithese, Neologismus und Paradoxon. Vieles ist so dicht und so intensiv, daß es zu kleinen poetischen Einheiten wird.

Als gelernter Lyriker schreibt Benkel gleichsam in Zirkelbewegungen, auf die Momente zu, da etwas aufgeht. So lassen sich Aktivität und Passivität, Tun und Erleiden, Begreifen und Ergriffen–Werden kaum unterscheiden. Es sind Augenblicke, in denen Probleme gelöst, Überzeugungen gebildet und Einsichten gewonnen werden – mentale oder auch seelische Ereignisse, in denen sich nicht nur das Denken, sondern auch das Leben ändern kann. Einige von Benkels »Gedanken, die um Ecken biegen« haben Konsequenzen nicht allein für das Leben und Denken desjenigen, dem da etwas aufgeht.

Diese Aphorismen sind zugleich Ausdruck eines fast paradox anmutenden Verhältnisses zur Literatur: eher reflexiv, kritisch und distanziert und eben dadurch tiefergehend. Das literarisch Wertvolle daran ist, daß er das Spiel mit den Wörtern nicht als bloße Etüde betreibt. Vielmehr schimmert hinter all seinen Spracherkundungen ein existentieller Kern, das kleinstmögliche Ganze.

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Gedanken, die um Ecken biegen, Aphorismen von Holger Benkel, Edition Das Labor, Mülheim 2013

[*] Diese Rezension schrieb: Matthias Hagedorn (2013-01-01)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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