Die Legende lebt! Lebt die Legende? Der „Bob Dylan für Arme“ ist nicht nur ein „Phantom auf Vinyl“, wie ihn die beste deutsche Wochenzeitung bezeichnet, sondern tatsächlich ein Mann aus Fleisch und Blut, der ohne weiteres zum „working class hero“ of the year avancieren könnte, gäbe es einen diesbezüglichen Contest. Die Geschichte des Folkmusikers Sixto Rodriguez, der mit nur zwei Alben zur lebenden Legende wurde, wird in dieser außergewöhnlich authentischen Dokumentation nacherzählt, die natürlich am Ende auch eine gewisse Pointe aufweist, die ich hier nicht vorwegnehmen möchte. Unzweifelhaft sind jedenfalls die Poetik seiner Songs, die eingängigen Melodien und die Authentizität ihres Protagonisten Kriterien, die sonst nur wenige Dokumentationen aufweisen. In „Searching for Sugar Man“ von Malik Bendjelloul ist dies alles gelungen und sogar mehr noch: endlich kann Rodriguez von seinen Tantiemen leben und muss nicht mehr als Bauarbeiter am Rande der Armut schuften. Der Film wurde bei der Oscar-Verleihung 2013 nämlich als bester Dokumentarfilm ausgezeichnet und der gleichnamige Soundtrack zum Film erreichte Platz 76 der Billboard 200. Ebenfalls 2012 erreichte die Wiederveröffentlichung von Cold Fact, seiner ersten Langspielplatte, Platz 86 der US-amerikanischen Billboard 200.
Detroiter Anti-Establishment Blues
Sixto Rodriguez wurde in den 70ern in Südafrika zu einem Star und seine eigene Plattenfirma hatte ihm die rasanten Verkäufe seiner Alben dort verschwiegen. Die Themen seiner Lieder passten nämlich perfekt als Kampfsongs gegen das brutale Apartheid-Regime und selbst Nelson Mandela soll seine Lieder gesungen haben. Sieht man von dem bekannten „Sugarman“, einem sozialkritischen Text zur Drogenabhängigkeit einmal ab, ist Rodriguez‘ Repertoire nämlich tatsächlich sozialpolitischer Zündstoff: „Anti-Establishment Blues“, „I Wonder“, „A most disgusting song“, „Can’t get away“ heißen seine Lieder, die ein tristes Bild eines zerbombten Detroit, seiner Heimatstadt, und der Vereinigten Staaten, seiner Heimat, zeichnen: „Born in the troubled city/In Rock and Roll, USA/In the shadow of the tallest building/I vowed I would break away/Listened to the Sunday actors/But all they would ever say/That you can't get away from it/No you can't get away/No you can't get away from it/No you can't get away…“.
Selbstmord auf der Bühne?
Natürlich gehört auch viel Mythenbildung dazu, um aus einem Sänger einen Helden zu machen und so wurde in Südafrika damals erzählt, Rodriguez hätte sich auf offener Bühne selbst erschossen. In Wirklichkeit hatte er sich aus dem Showbiz einfach zurückgezogen, weil es ihm gar nie um das Verkaufen von Platten gegangen war, sondern er sich lieber mit anderen Arbeitern gewerkschaftlich organisierte und mit ihnen für ihre Rechte kämpfte. Denn er war selbst einer von ihnen. Dem schwedischen Filmemacher Malik Bendjelloul ist es mehr als 40 Jahre später gelungen, den Mythos neu aufzugreifen und damit den dramatischen Spannungsbogen seiner Dokumentation anzufüttern: es gibt noch Menschen, die ein Rückgrat haben und für die Ideale mehr zählen als Geld. Der späte Erfolg sei Rodriguez natürlich gegönnt, denn er hat ihn sich mehr als andere verdient.
Malik Bendjelloul
Searching for Sugar Man
Schweden/Vereinigtes Königreich
DVD 2012 86 Minuten
Musik: Sixto Rodriguez
Kamera: Camilla Skagerström
Al!ve AG Rapid Eye Movies
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2013-05-21)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.