Woher kommt dieser Islam, der Angst macht, der bedroht, tötet, köpft und Terror sät? Lassen sich Freiheit und Islam vereinbaren? Das vorliegende Buch ist der leidenschaftliche Aufruf eines großen muslimischen Intellektuellen, dem Islamismus endlich entschiedenen Widerstand entgegenzusetzen.
Warum macht der Islam Angst? Beinhaltet er die Saat der Gewalt? Wieso lassen sich Tausende junger Europäer – und nicht nur Einwandererkinder – vom Dschihad vereinnahmen und ziehen für den IS in den Krieg? Welche Gehirnwäsche durchlaufen sie, bevor sie als ferngesteuerte Killer zurückkehren, bereit zu sterben?
Tahar Ben Jelloun nimmt das ganze Bild in den Blick. Er spricht von der Trostlosigkeit einer Vorstadtjugend, die sich von der Gesellschaft verstoßen fühlt. Er versetzt sich in die Köpfe der islamistischen Mörder. Er beschreibt, wie mit dem IS binnen weniger Jahre eine Terrororganisation entstehen konnte, die al-Qaida in den Schatten stellt.
Er betont die Verantwortung der Golfstaaten, die den Terror finanzierten, er geht mit den Fehlern des Westens ins Gericht und geißelt die zynische Strategie Putins. Die große Mehrheit der Muslime lehnt den Islamismus ab. Doch Ben Jelloun macht deutlich: Die Muslime müssen ihre Haltung ändern und einen Islam erfinden, der vereinbar ist mit Demokratie und Rechtsstaat, der den Wert des Individuums anerkennt und die Gleichstellung der Frau.
Wie das gehen soll, bleibt in dem Buch unklar. Das ist seine große Schwäche, aber ich bin davon überzeugt, der Autor weiß es selbst nicht. Er gehört zu Umma, und es scheint schwer für ihn, seine Gemeinschaft in ihren schon im Koran angelegten Grundlagen zu kritisieren. Dennoch: vielleicht dauert die nötige Reformation des Islam ähnlich lang wie die des Christentums. Dann müssen wir noch einige Jahrhunderte warten, bis der Fanatismus aufhört.
Tahar Ben Jelloun, Der Islam, der uns Angst macht, Berlin Verlag 2015, ISBN 978-3-8270-1289-0
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2015-05-19)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.