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Louis Begley - Venedig unter vier Augen
Buchinformation
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Begley, Louis:
Venedig unter vier Augen

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(Bücher frei Haus)

Louis Begley
Anka Muhlstein
Venedig unter vier Augen
Übersetzt von Christa Krüger und Grete Osterwald

Mare Buch Verlag
www.marebuch.de
Band 8 der Mare Bibliothek
168 Seiten, gebunden
ISBN 978-3-936384-07-9
€ 18,00 [D] / sFr 30,90


Von Jürgen Weber

Das Ehepaar Begley ist auch ein Schriftsteller-Ehepaar. Sie schreibt auf Französisch Sachbücher und er auf Englisch Romane, die immer wieder in Venedig spielen. Während die eine sich Venedig eher gastronomisch annähert, indem sie die Lieblingsrestaurants des Ehepaares aufzählt, beschreibt der andere eher andere lukullische Freuden, zumindest in der ersten der vier Geschichten in diesem Buch mit dem intimen Titel „Venedig unter vier Augen“. Der letzte Essay wiederum ist den großen Vorbildern wohl nicht nur Begleys, sondern aller Literaten gewidmet, die über Venedig schreiben wollen: Henry James, Marcel Proust und Thomas Mann werden von Begley selbst mit sich selbst (!) verglichen. Wer dies als Anmaßung empfindet, tut nicht nur Begley, sondern auch Venedig unrecht: „Ich schreibe aus einer Art innerem Zwang, der mich vorantreibt, zum Glück aber auch, weil ich im Schreiben ein seltsames und starkes Vergnügen finde – das Gefühl, Schreiben sei eine Tätigkeit, deren Wert außer Frage steht, auch wenn ich unaufhörlich am Wert dessen, was ich geschrieben habe, Zweifel hege.“

Man müsse furchtlos, sogar tollkühn sein, um Belletristik zu schreiben, behauptet Begley in seinem Essay und man würde ihm wünschen, dass er doch noch mehr Mut gehabt hätte, denn als Rezensent der drei wohl bahnbrechendsten Werke der Weltliteratur zu Venedig, wagt er zu wenig. Er zitiert seitenweise aus den Werken der genannten Schriftsteller, fasst zusammen, wagt sich aber nicht zu einem eigentlichen Urteil vor. Es geht ihm natürlich auch vorrangig um das Venedigbild der jeweiligen Autoren und wie es sich von seinem Venedigbild unterscheidet. Begley hasst im Unterschied zu Proust die Tauben, die jenem wie Flieder vorkamen, oder verabscheut so unvenezianische Lieder wie „O sole mio“ oder „Santa Lucia“ wie die Pest. Außerdem betritt er Venedig anders als Thomas Manns Aschenbach gerne vom Bahnhof her und nimmt zuweilen auch eine Gondel, um in sein Hotel am Rialto oder in der Nähe der Piazza abzusteigen. Sein Protagonist „Mistler“ hingegen entrichtet nicht einmal den Obolus für die Vaporetti, wohl nicht das einzige, was der Protagonist mit seinem Schöpfer gemeinsam hat, wie Begley in seinem letzten Satz vorliegenden Buches freigiebig bekennt. „Venedig ist nichts als das Gefäß, das aufnimmt, was der Erzähler – und in der Verlängerung auch der Leser für die Erfahrung, dort zu sein, mitbringt.“, schreibt Begley in seiner Auseinandersetzung mit Prousts „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“. Leben und Tod in Venedig und was es dazwischen alles so gibt, etwa die Zitella Lilly, die - wie es der Erzähler will - als gealterte Alkoholikerin doch noch in seinem Bett landet und ihm so seine späte Genugtuung verschafft, wenn auch nicht in Venedig, sondern in Paris.

Anka Muhlstein, Begleys spätere Frau, lädt den Leser danach zu einem Spaziergang durch die weniger bekannten Viertel aka Sechstel Venedigs ein. Sie besucht und beschreibt ihre Lieblingstrattorien in San Polo und Santa Croce, schildert aber auch liebevoll deren Köche und Kellner und auch so manche weise Einsicht: „Aber in der winzigen Lagunenstadt allen Menschen aus dem Weg zu gehen, ist eine Illusion.“ Hartnäckig schlagen die beiden nämlich alle Einladungen aus, denn sie wollen allein sich selbst und Venedig genießen. Ein durchaus sympathischer Zug einer ansonsten wohl eher leidenschaftslosen Beziehung, sieht man einmal vom Hochwasser 1966 ab, bei dem sie zwar nicht dabei waren, das sie sich aber lebhaft von ihren Kellnern erzählen haben lassen: „Zwölf Stunden hatte das Wasser zwei Meter über dem Meeresspiegel gestanden.“ Und anders als in anderen Städten, wo man sich bei Hochwasser mit Booten fortbewegen kann, gelingt einem ausgerechnet das in der Wasserstadt Venedig bei Hochwasser nicht. Die Kanäle sind nämlich so angeschwollen, dass man unter den Brücken unmöglich durchkommt, sollte man das Boot überhaupt rechtzeitig losgetaut haben, denn ansonsten liegt es ohnehin bereits unter Wasser voll mit Schlacke und allerlei anderem Auswurf aus der Lagune.

Der „Charme Venedigs“ bestünde hauptsächlich in seinen Hindernissen, schreibt Muhlstein, egal wo man hinwill, es gibt immer noch eine zweite, bessere oder einfach andere Lösung: der Weg ist das Ziel. Das wird sich wohl auch so mancher Leser denken, wenn er die Restauranttipps der beiden Autoren, dann auch wirklich finden will. Am besten nie mit leerem Magen spazieren gehen in Venedig, das hätte wohl auch ein Lukullus empfohlen…


[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2009-01-21)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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