Zum 150. Todestag am 31. August 2017 ist diese bibliophile Ausgabe im Manesse Verlag erschienen, die sechs Essays zu folgenden Themen enthält: Auswahl tröstlicher Maximen über die Liebe, Ratschläge an junge Literaten, das titelgebende Wein und Haschisch, Was uns das Spielzeug lehrt, „Madame Bovary“ von Gustave Flaubert und Richard Wagner und der „Tannhäuser“ in Paris. In der hier vorliegenden exklusiven Zusammenstellung in Neuübersetzung ist Charles Baudelaire, der vor allem durch seine Lyrik und sein Hauptwerk „Die Blumen des Bösen“ bekannt ist, der feinsinnige Ästhet und ironische Lebenskünstler, Literaturkritiker und wortmächtige Protagonist der Pariser Boheme, als den man ihn sich nicht vorzustellen wagte. Zudem ist das Buch passend zu Baudelaires eigenen Vorlieben in dunkelroten Samt gebunden und mit Glanzfolienprägung. Eine bibliophile Ausgabe des Feingeistes also.
Die Vorzüge der Liebe und des Weins
„Wenn ich mit der Liebe beginne“, schreibt Baudelaire im ersten Essay, „dann, weil die Liebe für alle – mögen sie es ruhig leugnen – das Wichtigste im Leben ist“. In „Auswahl tröstlicher Maximen über die Liebe“ bezieht sich Baudelaire auf Hoffmann, Stendhal, Lavater und Mirabeau. Er erläutert, dass es bei der Liebe wie beim Kochen ist: die Natur versieht uns nur selten mit Geschmack an dem, was uns schadet. „Wenn sie (die Natur, JW) dir eine Geliebte ohne Busen zugeteilt hat, sage: `Ich habe einen Freund – mit Hüften!´ und geh in den Tempel, um den Göttern zu danken.“ Die Sonne, „die mit Inbrunst jeden Makel tilgt“, das ist für Baudelaire die Liebe, die zudem eine „verdaungsfördernde Wirkung“ habe. Eingebildete Kranke würden sich mit Arzneien quälen, statt die Vorzüge und Privilegien einer solch „ernsthaften Erkrankung“ gebührend zu genießen. Grundsätzliche und allgemeingültige Regel in der Liebe sei: „Hüten sie sich in der Liebe vor dem Mond und den Sternen, hüten sie sich vor der Venus von Milo, vor Seen, Gitarren, Strickleitern und allen Romanen!(...) Aber lieben Sie von ganzem Herzen, mit aller Kraft!“
Trinitá oder die Dreifaltigkeit
„Gott schütze die, die er liebt, vor sinnloser Lektüre“ zitiert Baudelaire Lavater in der titelgebenden Geschichte „Wein und Haschisch“ und stellt sich vor, einem Bewohner des Mars den Genuss von Wein zu erklären. „Wie großartig sind die Schauspiele des Weins im strahlenden Licht unserer inneren Sonne“, exklamiert Baudeaire und beschreibt seine Wirkung als „zweite Jugend“. Manchmal ist ihm sogar, als würde er den Wein zu ihm sprechen hören und einen „Gesang der Brüderlichkeit, Freude und voll Licht und Hoffnung anstimmen“. Der Wein sie wie Jesus Christus ein Wiederholungstäter, der alle Tage seine Wohltat wiederhole. „Aber der Wein durchströmt die sieche Menschheit wie ein neuer Paktolos und spült Gold an die Ufer des Geistes“ und für diejenigen die keinen Schlaf fänden, lindere der Wein mit Dichtungen und Gesängen die Seele. Wer nur Wasser trinke, habe vor seinen Mitmenschen ohnehin etwas zu verbergen, lobt Baudelaire die Vorzüge des Weins. Der Wein erschaffe gewissermaßen eine dritte Person, bei dem der Mensch und der Wein, die Rolle von Vater und Sohn der Dreifaltigkeit einnehmen. „Sie zeugen einen Heiligen Geist, den Übermenschen, der ebenfalls von den Göttern abstammt“, so Baudelaire. Aber die gerechte Strafe ereile ohnehin alle, am Tag danach: „Sie haben Ihre Persönlichkeit in alle Winde zerstreut, und nun müssen Sie sie mühsam einsammeln und zusammensetzen.“
Charles Baudelaire
Wein und Haschisch.
Essays, Gebundenes Buch, 223 Seiten
Aus dem Französischen von Melanie Walz
Nachwort von Tilman Krause
ISBN: 978-3-7175-2430-4
€ 22,95 [D] inkl. MwSt./€ 23,60 [A]/ CHF 29,90*
Manesse Verlag Zürich/Random House
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2017-09-15)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.