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Roland Barthes - Fragmente einer Sprache der Liebe
Buchinformation
Barthes, Roland - Fragmente einer Sprache der Liebe bestellen
Barthes, Roland:
Fragmente einer Sprache
der Liebe

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(Bücher frei Haus)

„Lotte ist durchaus reizlos; sie ist die dürftige Hauptfigur einer starken, aufwühlenden, funkelnden, vom Subjekt Werther ins Werk gesetzten Inszenierung.“ Aufgrund einer gnädigen Entscheidung dieses Subjekts werde ein unbedeutendes Objekt in den Mittelpunkt der Szene gerückt und dort angebetet, beweihräuchert, verantwortlich gemacht, mit Diskursen, Lobreden eingedeckt, schreibt Roland Barthes in einer Interpretation einer Facette des berühmten Werther-Textes von Goethe. In einer seiner „Figuren“ wie er die Stichworte seines Liebeskompendiums nennt, betitelt mit „Die Liebe lieben“, fasst er zusammen, was alle wissen, die selbst einmal für ein anderes Wesen entbrannten: „Es ist mein Verlangen, das ich verlange, und das geliebte Wesen ist nicht mehr als ein Helfershelfer.“

Die Liebe – ein einsamer Diskurs
Dass ein so berühmter französischer Philosoph wie Roland Barthes (1915-1980) sich ausgerechnet beim Thema Liebe vornehmlich Autoren deutscher Provenienz (Goethe, Nietzsche) zitiert, dürfte eigentlich schon Grund genug sein, dieses Buch zu lesen. Darüber hinaus ist es aber auch von äußerster Praktikabilität für den Hausgebrauch, da es in seiner enzyklopädischen Form (alphabetische Reihenfolge der Begriffe) Stichworte gibt, die den Liebenden, der hier oft auch als . Kranker bezeichnet wird, aus so mancher gedanklichen Sackgasse zu führen. Da der Diskurs der Liebe heute von „extremer Einsamkeit“ sei, wie Barthes schreibt, erklärt er im Vorwort auch kurz die Benutzung seiner „Figuren“: „Die Figur – das ist der Liebende in Aktion“. Im Kern jeder Figur stecke etwas von „verbaler Halluzination“. Sie blitze kurz auf, vibriere allein wie der aus einer Melodie herausgelöste Ton – oder wiederhole sich bis zum Überdruss wie das Motiv einer in sich kreisenden Musik. Eine Liebesgeschichte sei eine krankhafte Krise, von der man genesen müsse: „Die Liebesgeschichte (`Das Abenteuer´) ist der Zoll, den der Liebende der Welt zu entrichten habe, um sich wieder mit ihr zu versöhnen.

Thesaurus der Liebe
Der „Kranke“, Tolle, Ver-rückte oszilliere, schwanke, besonders wenn der Geliebte abwesend sei. Man beschwöre ihn, „damit er mich vor jener Willfährigkeit der Welt gegenüber bewahre, die mir auflauert.“. „Ich mache die Abwesenheit des Anderen für meine Weltverfallenheit verantwortlich: ich erflehe seinen Schutz, seine Rückkehr, wenn er doch auftauchte, wenn er mich doch, wie eine Mutter, die ihr Kind suchen kommt, dem mondänen Glanz der sozialen Selbstgefälligkeit entrisse, wenn er mir doch die `religiöse Intimität, die Schwere´ der Welt des Liebenden zurückgäbe.“ Durch eine einem buddhistischen koan ähnliche Asphyxie XXX rekonstruiere sich der Liebende seine Wahrheit, bereite er in sich den „Unheilbar“-Liebenden vor. Wenn sich Werther am Ende selbst auflöse, habe die Religion vielleicht nicht so sehr den Selbstmord verdammt. Vielmehr: „Die Religion verdammt in Werther nicht nur den Selbstmörder, sondern vielleicht auch den Liebenden, den Utopisten, den Heruntergekommenen, der niemandem `verbunden´ ist als sich selbst.“ Und mit solchen Leuten wäre eben weder eine Religion, noch ein Staat zu machen.

Das Liebesereignis
Die Liebeserzählung werde zu einem Roman, einem Drama. Schon im antiken Drama seien Pathosszenen gegenüber Handlungen vorgezogen worden. Die Hingerissenheit der Liebe, der reine hypnotische Augenblick, finde vor dem Diskurs und hinter dem Proszenium des Bewusstseins statt: „Das Liebes-`Ereignis´ fällt in die Kategorie des Hieratischen: es ist meine eigene lokale Sage, meine kleine Heiligenlegende, die ich mir selbst vortrage und diese Deklamation einer bereits vollzogenen (erstarrten, einbalsamierten, allem Handeln entzogenen) Tatsache ist der Diskurs des Liebenden.“ Ein sehr einsamer Diskurs also, wie anfangs schon gesagt.
Die mir hier vorliegende Ausgabe von Suhrkamp (1988) aus dem Französischen von Hans-Horst Henschen wird in einer erweiterten Neuerscheinung, aus dem Französischen von Hans-Horst Henschen und Philipp Rang am 16.04.2012 in gebundener und erweiterter Form (320 statt 279 Seiten) mit der ISBN: 978-3-518-42297-7 beim Suhrkamp Verlag erscheinen. Im Rahmen der Edition der legendären Pariser Seminare von Roland Barthes haben sich weitere Fragmente gefunden, die der Autor in die Erstausgabe nicht aufgenommen hat, die jedoch eine perfekte Ergänzung zum Diskurs jedes Liebenden sind, schreibt der Verlag in der Vorankündigung.

Roland Barthes
Fragmente einer Sprache der Liebe
Suhrkamp Aus dem Französischen von Hans-Horst Henschen

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2012-01-22)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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