Diese Einsicht und Lebensphilosophie kann als Grundlage gelten für die Jugendbücher von Tom Avery. Schon in seinem erfolgreichen Buch „Der Schatten meines Bruders“ hat er in seiner Hauptfigur Kaia davon erzählt. Er verband von Anfang bis Ende realistische und fantastische Elemente, sodass man als Leser nie genau wusste, was seine Hauptfigur nun tatsächlich erlebte oder was sie lediglich träumte. Real und damit wirksam für das Leben ist für Avery immer beides. In der Sprache zwischen weichen und harten Tönen wechselnd, gelang es ihm, verschiedene Seelenzustände zu beschreiben und einen seelischen Heilungsprozess eines Jugendlichen eindrucksvoll zu schildern.
Ich erwähne das noch einmal ausdrücklich, weil fast alles auch für den hier vorliegenden leider bisher nicht so stark rezipierten zweiten Roman von Tom Avery gilt. Es geht um die beiden Zwillinge Jamie und Ned. Schon bald erfahren wir von Jamie, dass Ned seit der Geburt an Mukoviszidose leidet, einer unheilbare Krankheit, die seine Lebenserwartung wahrscheinlich stark begrenzt. Seit die beiden Brüder zurückdenken können, erzählt der Großvater ihnen fantastische Geschichten übers Meer, Geschichten voller Meerfrauen und Meermännern, die Wunder vollbringen.
Als sie eines Tages am Strand ein seltsames Meerwesen finden (Realität oder Fantasie?) erhofft sich Jamie die Rettung für seinen Bruder. Sie nennen das Wesen Leonard und insbesondere Ned entwickelt bald eine ganz besondere Beziehung zu ihm. Jamie beschreibt das ganz genau, weil er spürt, dass sein geliebter Bruder sich von ihm entfernt. Doch am Ende wird ihm deutlich warum, und auch warum das Wesen Ned tatsächlich gerettet hat. Nur nicht so, wie Jamie sich das erhoffte…
Nach „Der Schatten meines Bruder“ wieder ein beeindruckendes, stellenweise fremdes und widerspenstiges Jugendbuch von Tom Avery.
Tom Avery, Wenn der Sturm kommt, Beltz & Gelberg 2016, ISBN 978-3-407-82108-9
„Alles wird anders, nichts bleibt wie es ist.“
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2016-06-27)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.