Die Menge der in jedem Jahr zuverlässig erscheinenden Glücksratgeber ist unüberschaubar. Ihre schiere Zahl und die Tatsache, dass sehr viele Verlage solche Bücher in ihrem Programm haben (manche bestreiten es ausschließlich mit solchen Büchern), zeigt ein Bedürfnis vieler Menschen an, über ihr von Hektik und Stress geprägtes Leben nachzudenken und zeigen ihre Hoffnung, in den Ratgebern einen Hinweis dafür zu finden, wie sie aus dem Hamsterrad ihres Alltags aussteigen und wieder einen Sinn für ihr Leben finden können.
Der französische Intellektuelle Marc Auge gilt als Begründer einer Ethnologie des Nahen. Er ist sozusagen ein Anthropologe des Augenblicks, der in kurzen Momenten, flüchtigen Sinneseindrücken und allzu zerbrechlichen Erinnerungen Zeitfenster des Lebens sucht und entdeckt, die den Widrigkeiten des Lebens und der menschlichen Existenz Widerstand bieten und um derentwillen, so ist er überzeugt, es sich zu leben lohnt.
Mit seinem auch stark biographisch geprägten Essay, den er eine „Liebeserklärung an den Moment“ nennt, decouvriert der altersweise Marc Auge die herkömmlichen Glücksversprechen der mannigfaltigen Ratgeber und sonstiger „Glücksverwalter“ als leer und ohne wirkliche Substanz.
In insgesamt 11 Teilen seines Essays spürt Marc Auge sensibel und aufmerksam den großen und den kleinen Momenten der Menschlichkeit nach. Oft sind es unscheinbare, nicht selten Sekundenaugenblicke währende Situationen und Wahrnehmungen, die uns als Menschen glücklich machen. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie, anders als die unzähligen Werbeversprechen für persönliches Glück, immateriell sind.
Da ist der tiefe Eindruck einer wunderbaren Landschaft, ein Lied, ein geschmackvolles Gericht, da ist das unvergessene Wort oder die Umarmung eines lieben Menschen. Für mich persönlich etwa wird das Erlebnis der Geburt meines Sohnes solch eine Erfahrung bleiben, die mich bis zu meinem Tod beglücken wird. Viele solcher kleinen Schätze können wir in der Kammer unserer Erinnerung sammeln und sie immer wieder wachrufen. Denn erst wenn diese flüchtigen Augenblicke des Glücks vergangen sind, wird uns klar, wie notwendig und wertvoll sie sind.
Ein nachdenkliches Buch, das den kleinen unscheinbaren Dingen des Lebens und der Welt ihre wahre Bedeutung zurückgibt.
Marc Auge, Das Glück des Augenblicks. Liebeserklärung an den Moment, C.H. Beck 2019, ISBN 978-3-406-73135-8
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2019-06-14)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.