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Rezensionen


 
Margaret Atwood - Das Jahr der großen Flut

Endzeit und Garten Eden

Die nun über 70jährige Margaret Atwood schriebt mit klarer Sprache und hohem Beobachtungsvermögen ein Buch, dass in seiner Form und Sprache in beeindruckender Weise eine Zukunft vorwegnimmt und beschreibt, die gut und gerne eintreffen könnte, wenn die politischen Versuche zur Bewahrung dieser Welt weiterhin so kläglich und zögerlich, beständig von kurz denkenden, gegenwärtigen wirtschaftlichen Interessen dominiert wird.

Auch wenn der Auslöser der Katastrophe (die im Buch 25 Jahre bereits zurückliegt) eher eine Krankheit denn eine ökologische Katastrophe ist, baut das gesamte Buch doch auf einer Sicht der ökologischen Misswirtschaft und des achtlosen Umgangs des Menschen mit den natürlichen Ressourcen auf. Dem entspricht als Gegenpol jene Welt des „Gartens Eden“ in dem Atwood einen großen Teil ihres Buches ansiedelt.

Sie erzählt ihre Geschichte aus der Sicht der jungen Frauen Toby und Ren, beide Teil einer landwirtschaftlich-vegetarisch überzeugt lebenden Gruppe von Menschen, die die Katastrophe des Jahres Null der neuen Zeitrechnung überlebten und nun, auf den Dächern von Hochhäusern, Nutzgärten anlegen und weitestgehend selbstversorgt Leben.

In einer Welt, die sich langsam wieder erholt hat, aber scheinbar wenig aus den ökologischen Zusammenbrüchen und der Seuche selbst gelernt hat. Aus einer Geschichte, die im Buch in Rückschauen jeweils erzählt wird und innerhalb derer klar wird, dass der bedenkenlose und profitorientierte Umgang mit der Natur letztlich erst zur Seuche und damit zur Ausrottung fast der gesamten Menschheit geführt hat. Wiederum aber ist auch die neue Welt des Jahres 25 in der Hand weniger Großkonzerne, die hemmungslos mit dem genetischen Erbe der Natur experimentieren und in einer rechtlosen Welt ohne regulierende Staatswesen von privaten Sicherheitsdiensten geschützt werden.

So zerfällt die geschilderte Welt in drei Gruppen. Die Elite in ihren gesicherten Wohnbereichen mit starkem Drang zum Luxus, zum zweiten kleinere Gruppen wie die „Göttergärtner“, denen auch die beiden Protagonisten angehören und zum dritten der große Rest, der in zerfallen Städten, marodierenden Banden ausgesetzt, letztlich nur versucht, zu überleben.

Atwood gestaltet ihre Geschichte in klarer Sprache. Mit viel Fantasie schildert sie das Leben der Überlebenden in den verschiedenen Lebenshaltungen, teils mit drastischen Beschreibungen allein schon der widerlichen Nahrung, die dem großen Rest nur mehr verbleibt. In den vielfachen Veröffentlichungen von Endzeit-Epen und Thrillern der letzten Monate setzt Atwood damit einen ganz eigenen Akzent konstruktiver Möglichkeiten. Die Gärtnerkolonie samt ihrem „Paradies“ hat schon jene Haltungen in sich, die Margaret Atwood sicherlich auch gerne bereits in der Gegenwart als menschliche Grundhaltung positiv kennzeichnen würde. Trotz mancher spannender Elemente ist das Buch kein Thriller, sondern eher eine romanhafte Fiktion einer möglichen Katastrophe und der verschiedenen Weisen des Umganges mit einer solchen.
Interessant ist das Buch und die Geschichte auf jeden Fall in seinen genauen Betrachtungen und Schilderungen der menschlichen Natur, die auch nach einer Katastrophe nur schwer eine grundlegende Änderung erfahren würde.

Flüssig und anregend geschrieben mit einer originären Grundidee und einer vielfach bildhaft dargestellten post-apokalyptischen Welt ein durchaus empfehlenswertes Buch mit leichten Hängern und manchem Leerlauf.

[*] Diese Rezension schrieb: Michael Lehmann-Pape (2010-11-16)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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