Otto lebt mit seiner Familie in Wien, als die Nationalsozialisten 1938 Österreich besetzen und den Juden genau wie schon Jahre zuvor in Deutschland alle Rechte nehmen. Die Familie versucht dieser bedrohlichen Situation und Zukunft zu entkommen, finden aber keine Lösung. Deshalb entscheiden sie sich, wenigstens ihren geliebten Sohn zu retten und nach Schweden zu schicken. Zusammen mit 100 anderen Kindern macht sich Otto im Februar 1939 auf den Weg nach Schweden. Hier wird er den Krieg verbringen und mit seiner Familie in Kontakt bleiben.
Dieses bewegende Buch beschreibt einerseits eine jüdische Familiengeschichte während des Nationalsozialismus, andererseits geht es auch auf die historischen Umstände und Ereignisse ein, damit der Leser die Zusammenhänge versteht. Hierbei wird vor allem die Haltung Schwedens gegenüber jüdischen Einwanderern geschildert und wie die schwedische Bevölkerung zunehmend eine antisemitische Haltung einnimmt. Dokumentierte originale Briefwechsel zeigen, wie sich dennoch einzelne Personen für die Einwanderung jüdischer Kinder in Schweden einsetzen, gegen eine überwiegend antisemitische Haltung der Bevölkerung.
Die Familiengeschichte wird vor allem durch den Briefwechsel von Otto mit seiner Familie belegt, wobei nur noch die Briefe an Otto erhalten sind. Ottos Schicklsa, seine Gefühle und sein Alltag kann man aus diesen Briefen erahnen Gut recherchiert, zeigen die Briefe die Liebe der Familie zu Otto und ihre Verzweiflung.
Der Schreibstil ist einzigartig. Er ist an manchen Stellen brutal und schonungslos und dann wieder sehr einfühlsam mit vielen Bildern, die einen zu Tränen rühren können. Ein Stelle besonders berührendes Zitat (es geht dabei um den Alltag unter der Naziherrschaft in Wien): „Es war ein Leben, so gewohnt, dass man es nicht wahrnahm, in Räumen die nach Zuhause rochen von ihrem Atem, dem Staub auf den Bücherregalen, der Druckerschwärze der Tageszeitung und Pepis Rasierwasser, Vertrautheit. Tage, durch nichts hervorgehoben, da nichts Abweichendes geschah, nichts Beachtenswertes. Alltag. Ein solcher, den man nur dann vermisst, wenn er zerbrochen ist.“.
Ein 2011 als bestes schwedisches Sachbuch ausgezeichnetes Buch, das die Ermordeten wieder lebendig werden lässt.
Elisabeth Asbrink, Und im Wienerwald stehen noch immer die Bäume, Arche 2014, ISBN 978-3-7160-2710-3
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2014-11-18)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.