„Stat rosa pristina nomine, nomina nuda tenemus“ (Die Rose von einst steht nur noch als Name, uns bleiben nur nackte Namen) heißt es in dem Werk „Von der Geringschätzung der Welt“ des Benediktinermönchs Bernhard von Cluny, der in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts lebte. Der kürzlich verstorbene Literat und Philosoph Umberto Eco hat diesen Satz an das Ende seines Romans gestellt und ebenso Jean-Jacques Annaud an das Ende seiner kongenialen Literaturverfilmung, die ob ihrer dichten und authentischen Atmosphäre Filmgeschichte geschrieben hat. Im Mittelpunkt der beiden Werke steht eine italienische Abtei des Spätmittelalters mit ihrem Skriptorium und ihrer Bibliothek, in der das zweite Buch der Poetik von Aristoteles versteckt wird. Die „Poetik“ behandelt die befreiende Wirkung des Lachens, was – wie manche glauben - eine Gefahr für den Glauben darstellt. Der Benediktiner Jorge de Burgos (Fjodor Schaljapin) spielt dabei eine ebenso wichtige Rolle wie der Franziskanermönch William von Baskerville (Sean Connery) und die jesuitische Inquisition unter dem rachsüchtigen Bernardo Gui (F. Murry Abraham), denn alle wollen die rätselhaften Morde, die in der Abtei geschehen, auf ihre Art und Weise aufklären: die einen mit Vernunft und Intellekt, die anderen mit dem Teufel und den Dämonen. Aber zumindest einmal, in diesem Film, siegt die Vernunft über den Glauben und findet „das wahre Böse“, die Heilige Inquisition, eine gerechte Strafe im Abhang der Gosse. Ist es das, was diesen so düsteren Film so erbaulich macht?
Labyrinthe des Gehirns
Roman und Film sind als moderner Krimi aufgebaut, denn die Morde, die geschehen bleiben zunächst unaufgeklärt und ziehen den Zuseher so immer mehr in den Bann des Films mit der wohl schaurigsten mittelalterlichen Atmosphäre der Filmgeschichte. Die Drehorte sind geographisch allerdings weit verstreut, so wurden die meisten Innenaufnahmen im Kloster Eberbach im Rheingau, die labyrinthischen Szenen im Inneneren der Bibliothek wiederum in den Cinecittà Studio bei Rom gedreht. Nach Entwürfen von Dante Ferretti wurde auf einem Hügel nahe Roms, Prima Porta, der gespenstische 30 Meter hohe Bibliotheksturm errichtet, ganz nach dme Vorbild des tatsächlich existierenden Castel del Monte (Apulien). Die Landschaftsaufnahmen wiederum entstanden in den Abruzzen nordöstlich von L’Aquila oder in Molina de Aragón in Spanien gedreht. Besonders die Architektur des Films gilt als einzigartig, denn die Bibliothek, die einem Labyrinth gleicht, ist auch ein Weg in das Gehirn Jorges: weit verzweigt und kompliziert, mit Falltüren und –stricken geschützt und durch Geheimgänge unentwirrbar und unzugänglich gemacht. Anthony Vidler, ein englischer Architekturtheoretiker, hat die Architektur im Film als „the indispensable real and ideal matrix of the filmic imaginary“ beschrieben und die Treppen in „Der Name der Rose“ scheinen genau diese Funktion zu erfüllen, Annaud setzt sie quasi als eine Operationsmacht ein, die den Film dominiert und so auch die Verwirrung der Beteiligten – und des Zuschauers – zum Ausdruck bringt. Form follows function oder: Filmkunst at its best. „Kannst du mir einen Ort nennen, wo Gott sich je zuhause gefühlt hätte, Adson?“, frägt William seinen treuen Begleiter.
Apokalypse als Ekpyrosis
„Claustrum sine armario, quasi castrum sine armamentario“ („Ein Kloster ohne Bibliothek gleicht einer Burg ohne Waffenkammer“), schrieb Gottfried von Ste Barbe-en-Auge ca. 1170 und nahm damit vielleicht das Konzept der 816 Jahre später erschienen Literaturverfilmung von Umberto Eco’s „Name der Rose“ vorweg. In weiteren wichtigen Nebenrollen sehen wir den jungen Christian Slater als Adson von Melk, der Gehilfe von William und den österreichischen Kabarettisten Helmut Qualtinger als Remigio da Varagine. Der scheinbar geistig Behinderte und vermeintliche Dolzenianer Salvatore, der stets in verschiedenen Sprachen gleichzeitig spricht, wird von Ron Perlman genial und glaubwürdig dargestellt und muss am Ende ebenso wie Remigio als Unschuldiger am Scheiterhaufen verbrennen, während das Mädchen (Valentina Vargas), mit der Adson ein kurzes Abenteuer hatte, durch einen kleinen Volksaufstand gerettet werden kann. Die von den Benediktinermönchen des Klosters befürchtete Apokalypse realisiert sich im Film dann als Ekpyrosis (Gegenteil: Kataklysmos: Sintflut, Wasseruntergang) als Feueruntergang resp. Weltenbrand, denn die Bibliothek brennt als Ganzes ab. Aber nachdem William sich aus dem brennenden Gebäude mit ein paar Büchern retten kann wird auch eine Palingenesis angedeutet, denn er zieht am Ende des Films auf seinem Pferd mit seinem treuen Begleiter Adson auf dem Esel ebenso von dannen, wie er eingangs in den Film einritt. Als letzte Hürde stellt sich dem jungen Adson freilich das Mädchen entgegen, die ihn von seiner Entscheidung Mönch zu werden, abhalten will. Jean-Jacques Annauds hochgelobte und preisgekrönte Verfilmung von Umberto Ecos Roman gilt heute noch als eine der besten Adaptionen eines literarischen Stoffes für die Kinoleinwand und wurde von Bernd Eichinger produziert. Der Film hatte damals schon sechs Millionen Zuschauer allein in den deutschen Kinos.
Jean-Jacques Annaud
Der Name der Rose
Nach dem Roman von Umberto Eco
Originaltitel: The Name of the Rose
DVD, Italien / Deutschland / Frankreich, 1986
History, Krimi, Thriller, 126 min., FSK 16
Darsteller: Sean Connery, F. Murray Abraham, Christian Slater, Peter Berling
Extras: Trailer
Sprachen/Ton: Deutsch
Untertitel: Deutsch für Hörgeschädigte www.reclam.de
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2017-02-14)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.