Die Einladung, bei Anti-Pediga-Demonstrationen zu sprechen, hat den Schriftsteller Friedrich Ani, einem großen anspruchsvollen Krimipublikum als Schöpfer von Figuren wie Tabor Süden, Polonius Fischer, Jonas Vogel oder Jakob Franck bekannt, wieder in einen engen Kontakt mit seinem verstorbenen Vater gebracht, der als Arzt aus Syrien flüchtete und nie darüber sprach „ … schobst du ihr dumpfes Geraune unters Gerümpel im Abteil deiner Seele, das nie ein Mensch betrat, so nah er dir auch kam“.
Bei aller Distanz kommt er ihm in einem 19-teiligen Gedichtzyklus in der Mitte des Buches, der dem Band seinen Titel gab, so nah wie nie zuvor und wünscht sich seine Nähe („so bleib doch noch“).
„Sohn des Sandes“ nennt Ani seinen Vater und erinnert sich an eine Szene, als der zu ihm, den Atlas vor sich, über seine geliebte und verlorene Heimat sprach: „ … und / zeigtest mit dem Finger auf den Fluss und einen / klein gedruckten Namen, er krönte deine Stimme / wie ein Diadem. // So sprechen hörte ich dich selten, der eine / Name, Mayadin, er klang wie ein Gebet aus einem / Wort …“
Es ist, als ob Ani mit diesem Zyklus endgültig Abschied nehme von einem Vater, der ihm lieb und dennoch fremd war.
Auch viele der anderen Gelegenheitsgedichte atmen eine leise Melancholie und oszillieren zwischen Resignation und Trotz.
Für die Freunde der anspruchsvollen Krimis von Friedrich Ani zeigen diese Gedichte eine andere Seite eines Autors, der wie kaum ein anderen in der Lage ist, die Tiefe menschlichen Seelenlebens auszuloten.
Ani lässt seine Ermittler regelmäßig auf Menschen treffen, die auf irgendeine Weise sich selbst verloren gegangen sind. Unsichtbar geworden, leben sie mitten unter uns und Ani gibt ihnen durch seine Kommissare und ihre absolut ungewöhnliche Art, Kriminalfälle zu lösen, ihr Gesicht, ihre Geschichte und ihre Menschenwürde zurück.
Die vorliegenden Gedichte erinnern an vielen Stellen an dieses leidenschaftliche Eintreten für den Menschen und das Menschsein in all seiner Brüchigkeit.
Friedrich Ani, Im Zimmer meines Vaters, Suhrkamp 2017, ISBN 978-3-51846799-2
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2017-07-06)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.