Um es vorweg zu sagen. Dies ist ein zutiefst verstörendes Buch, das sich in kein gängiges Genre passen lassen will. Friedrich Ani hat einen Roman geschrieben über fünf Jugendliche, erschienen in einer renommierten Jugendbuchreihe, dem man glaubte auf dem Umschlag die ungewöhnliche Leseempfehlung ab 16 Jahren beifügen zu müssen.
Tatsächlich scheint die Handlung für jüngere Jugendliche nicht wirklich geeignet. Da sind fünf Jugendliche zwischen elf und fünfzehn, gefangen zum Teil schon seit Monaten in einem trostlosen Verlies in einem Keller eines Hauses auf einer Insel. Sie werden von Erwachsen, darunter auch eine darin festgehalten, nachdem sie an ihrem jeweiligen Wohnungsort entführt und auf die weit entfernte Insel verschleppt wurden.
Ihr Verlies kennt kein Tageslicht und ihre Verpflegung ist bescheiden. Ein Funzel gibt ihnen so lange Licht, wie die Erwachsenen oben das zulassen und alte schmutzige Matratzen sind nicht nur in der Nacht ihr Lager. Jeden Tag wird einer von den fünf (Leon, Maren, Sophia, Eike und Conrad) nach oben geschleppt, manchmal auch zwei zusammen. Bei Androhung des Todes ist es ihnen verboten, untereinander über das zu sprechen, was oben passiert.
Was dort genau passiert, wird nie beschrieben, es bleibt dem Leser überlassen aus dem zustand, mit dem sie von oben zurückkehren, zu schließen um was es geht. Längst haben die Kinder und Jugendliche jegliche Hoffnung aufgegeben, doch als nach einige Zeit mit Noah en sechster Junge auftaucht und kurz danach Eike für immer verschwindet, da verändert sich etwas in der Gruppendynamik der Gruppe. Sie sprechen mehr miteinander, teilen sich Dinge aus ihrem Leben mit, lassen Emotionen wieder zu.
„Wer Anis Geschichtenliest, lernt anders denken“, hat ein Kritiker einmal geschrieben. Das trifft auch und erst recht auf das neue Buch zu. Aber ich möchte ergänzen: er lernt auch anders mitfühlen und anders über Menschen urteilen, die die Gesellschaft längst abgeschrieben hat, die lebendig tot sind, und schon lange, bevor sie abtauchen, längst in sich selbst verschwunden sind, in "leeren Zimmern" leben
Friedrich Ani, Die unterirdische Sonne, cbt 2014, ISBN 978-3-570-16261-3
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2014-06-09)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.