Jeder kennt sie, keiner würde sie vermissen, wenn es sie nicht gäbe. Die klugen Sprüche der Altvorderen verhindern oft eine wirkliche Kommunikation und machen einen echten Dialog quasi unmöglich. Vielleicht hat sich Michael Amon dasselbe gedacht und den Sprichwörtern einmal so richtig auf den Zahn fühlen wollen. Womit wir unabsichtlicherweise schon wieder eines verwendet haben!
„Ehrlich währt am längsten/Lügen haben kurze Beine“ heißt einer seiner 100 Wutanfälle und zurecht: wer glaubt schon noch daran, dass man es mit Ehrlich zu irgendetwas bringen könnte oder irgendwer seiner Lügen auch wirklich überführt wird. Wenn man an die kürzlich veröffentlichte Aufklärungsrate bei Verbrechen denkt (Durchschnitt unter 40%) fragt man sich tatsächlich, wie weit man es eigentlich bringen kann, als unbescholtener Bürger. Oder nehmen wir nur das konkrete Beispiel des Millionendiebs Jürgen Harksen., der in einer TV-Produktion kürzlich meisterhaft von Ulrich Tukur in „Gier“ dargestellt wurde. Hat ihn jemand mal nach seinen Lebensmaximen resp. Sprichwörtern gefragt? Vielleicht könnte gerade er aber am Schluss doch auch als Beispiel für die Eloquenz des zweiten hier angeführten Sprichworts gelten? Aber wie meint doch Michael Amon: „Es ist ein verständlicher Wunschtraum mancher Menschen, dass man die Lügner nicht erst an ihren Taten, sondern schon an ihren Beinchen erkennen kann. Es wäre dann aber ein ziemlich groteskes Gewatschel auf den Gehsteigen unserer Städte. Das nähme man gern in Kauf. Aber da watschelt nichts, obwohl die Lügen wohlfeil und überall sind.“ Selbst dem Jungfernhäutchen sei heute nicht mehr zu trauen, schreibt Amon, denn japanische Chirurgen hätten längst auch dabei helfen eingegriffen. O tempora, o mores!
„Dulce et decorum est pro patria mori“(Der Dank des Vaterlandes ist euch gewiss) heißt eine weitere lateinische Lebensweisheit, die Amons heiligen Zorn erregt und besonders das im Original vorkommende „süß“ (dulce) scheint den Autor wütend zu machen: „Süß und ehrenvoll war der Tod nur für die Frontschweine, die Generäle hielten sich lieber dezent im Hintergrund und vermieden den Heldentod“, bemerkt Amon süffisant, dabei beginnen doch das Heldenepos schlechthin, die Ilias, mit den Worten: „Den Zorn singe, Göttin, des Peleussohns Achilles, den Unheil bringenden Zorn, der tausend Leid den Achäern schuf und viele stattliche Seelen zum Hades hinab stieß“. Amons Wutausbrüche also in Ehren, wenigsten einer der es noch wagt, gegen Troja in den Krieg zu ziehen! Wie der Autor in seiner Nachbemerkung schreibt, könne Wut nämlich durchaus auch aufrütteln und ermutigend sein und selbst nach Schreiben seines Textes, hat Amon nicht den leisesten Zweifel an der Berechtigung seiner Wutanfälle. Dafür findet er auch genügend Argumente. Ende gut, alles gut? Mitnichten. „Blöderweise ist kein Ende in Sicht. Nur dieses Buch hört hier auf. Die billigen Sprüche aber bekommen sie weiterhin an jeder Ecke. Bedenken Sie jedoch immer: „Wer billig kauft, kauft teuer!“ Amüsant und mit viel (Selbst-)Ironie geschrieben dürfte so mancher Banker, der mit seinem Latein am Ende ist, gerne bei Amons Buch Rat suchen. Vielleicht hilft das dann auch bei der eingangs angesprochenen „richtigen“ Kommunikation?
Michael Amon
Und sie lügen doch
Sprichwörter beim Wort genommen. 100 Wutanfälle