Ihr erstes Buch „Titos Brille“, in dem sie im Jahr 2012 nach dem Tod ihrer Mutter konfrontiert mit einem fast unübersichtlichen Nachlass dem Leben und dem Schicksal ihrer Eltern nachspürte und sich dabei gleichzeitig auf eine schmerzhafte und beglückende Spurensicherung nach ihren eigenen Wurzeln und ihrer Identität als Jüdin überlebender Eltern in Deutschland machte, war ein großer Erfolg.
Nun legt die Schauspielerin Adriana Altaras ein neues Buch vor, in dem es erneut um jüdische Identität in Deutschland geht. Es ist eine gelungene Mischung zwischen Fiktion und dem Bericht von tatsächlich Erlebtem, etwa wenn sie beschreibt, welche Wirkung ihre Rede zum Gedenken der Reichpogromnacht im Jahre 2011 in der Frankfurter Paulskirche nicht nur auf die jüdische Öffentlichkeit in Deutschland hatte.
Der Wechsel zwischen diesen öffentlichen und politischen Reflexionen und der Beschreibung des Lebens und des Alltags einer deutsch-jüdischen Familie machen den Charme und den hintergründigen Witz dieses Buches aus. Wie sie im Nachwort festhält, haben ihr deutscher Mann und ihre beiden Söhne für diese Geschichte durchaus Pate gestanden, „fiktiv oder real, konkret oder in Gedanken.“
„Sagen wir so: Nichts stimmt, wie es im Buch steht, und doch ist alles wahr.“
Immer wieder geht es um den großen Sohn David. Er ist im Ausgang seiner Pubertät und setzt sich nicht nur mit seinem deutschen Vater auseinander, den er verächtlich „doitscha“ nennt, weil er kein Jude ist, sondern auch mit Israel und seiner eigenen Verantwortung diesem Land und dem Volk der Juden gegenüber.
In wechselnden Perspektiven lässt Adriana Altaras die beteiligten Personen zu Wort kommen, wobei notgedrungen sie selbst am meisten Raum einnimmt. Doch auch in die Innenwelt ihrer Söhne David und Sammy und die ihres Mannes kann sie sich auch sprachlich gekonnt gut hineinversetzen.
Herauskommt eine etwa über ein Jahr reichende Aufnahme des Lebens einer deutsch-jüdischen Familie inklusive der großen Verwandtenschar, voller Humor und Witz. Es ist ein köstliches Lesevergnügen mit zu verfolgen, wie Adriana Altaras ihre Familie durch all diese Klippen steuert.
Adriana Altaras, doitscha, Kiepenheuer & Witsch 2014, ISBN 978-3462-04709-7
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2014-11-13)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.