„Das Feuer“, soll Jean Cocteau auf die Frage „Was würden Sie retten, wenn der Louvre brennt?“, geantwortet haben und César Aira’s Antwort auf die Frage was ihm am Lezama-Haus am meisten gefallen hätte, würde antworten: „Die Feuchtigkeit!“ Das kleine Bonmot zu Beginn dieses Textes stammt aus dem zweiten der drei Aira-Essays dieser kleinen aber sehr ergötzlichen Publikation des Matthes&Seitz Verlages, die sich „In Havanna“ nennt und auch dort spielt. Neben „Duchchamp in Mexiko“ und „Über die zeitgenössische Kunst“ zeigen vor allem auch seine Worte über Lezama Lima, dem Modernisierer der kubanischen Literatur, was der Argentier Aira für das beste Rezept für gute Literatur hält: „Alles zu sagen ist die sicherste Methode zu langweilen“. Sein Museumsbesuch im Haus des kubanischen Schriftstellers macht er wie er selbst sagt „wie ein Blitz“: „Und trotzdem sehe ich alles; ich bleibe vor jedem Bild stehen und denke `das wird lang genug gewesen sein, um es mir zu merken´“.
bUnterwerfung fordernder Analphabetismus/b
So ähnlich arbeitet Aira auch in seinem ersten für diese Publikation titelgebenden Essay „Duchamp in Mexiko“, in dem er seine selbstentwickelte „Methode der automatischen Generierung von Erzählung“ einmal der Länge nach voll ausprobiert. Keine Erzählung könne nur aus der Phantasie oder der Erinnerung oder sonst irgendeiner psychologischen Wirkkraft hervorgehen, sondern „auch aus dem narrativen Ordnen und Organisieren von Elementen `Figuren, die aus der Außenwelt stammen und auf gut Glück zusammengestellt werden“. Niemand werde bestreiten, dass die Zeit eines der Elemente ist, die Kunst erst zu Kunst machen, ein Kunstwerk bedürfe der Geschichte um seine Transformation zu erleben, schreibt Aira. Denn: „Der Vorgang des Schreibens erschafft die Zeit, oder zumindest macht er sie erfahrbar“. Die heutige Radikalität sei durch den absichtlichen Analphabetismus garantiert, dem man sich unterwerfen müsse. „Bilder illustrieren die historischen Kulminationspunkte, wir können aber die Geschichte nicht lesen“.
bKunst ist das Neue/b
Kunstbanausen empfiehlt Aira die Grisaille als Mnemotechnik. Es habe in der sog. zeitgenössischen Kunst längst ein Wettlauf zwischen einem Kunstwerk und seiner technischen Reproduzierbarkeit begonnen, in der die Reproduktion selbst längst zum Kunstwerk geworden sei, wie Chiricos „ungeträumter Traum“. Es bedarf einer archäologischen Rekonstruktion in der man sich an der Droge von Methode und Technik berausche, um besser träumen zu können, paraphrasiert Aira Mario Praz. Mit dem „Karneval der Namen" sei es ohnehin vorbei, als Ersatz sei uns nur das Präfix Neo- oder Post- in Verbindung mit einem alten Namen geblieben. Der Name „zeitgenössische Kunst“ habe sich merkwürdigerweise für alles was nach 1970 entstanden sei durchgesetzt, was ein völlig absurder Name sei, da er weder deskriptiv noch provozierend noch geografisch verortend von erdrückender, geradezu parodistischer Neutralität sei. „Wenn es Kunst ist, vielmehr: damit es Kunst ist, muss es neue Werte kreieren; es muss nicht nach allen Regeln der Kunst gemacht sein, im Gegenteil: Wenn es als `gut´ qualifiziert wird, dann darum weil es schon fixierten Qualitätskriterien gehorcht (...).“ Die neue Art von Kunst, die zeitgenössische Kunst heiße, ist ihre eigene Dokumentation und schreibt beim Erscheinen simultan ihre eigene Geschichte; sie hat es nicht nötig, dass die Zeit vergeht.