"Dieses Buch erzählt die Geschichte von Vera und Istvan, die als ungarische Juden den Holocaust überlebten, 1956 während des Aufstandes von Budapest nach Dänemark flohen und sich 1991 in Kopenhagen das Leben nahmen. Man fand sie Hand in Hand in ihrem Bett. Es ist die Geschichte einer ungewöhnlichen Liebe. Die Geschichte meiner Großeltern."
Lange hat sich die Journalistin Johanna Adorjan danach an das Gebot ihrer Familie gehalten, nach dem über den Tod der Großeltern, aber auch über all das, was diesem Doppelselbstmord vorausging, nicht gesprochen werden durfte. Doch ähnlich wie schon andere Kinder und Enkel der Generation der Holocaust - Überlebenden vor ihr ( vgl. vor allem die Bücher von Lizzie Doron aus Israel) hat sich auch Johanna Adorjan irgend wann darüber hinweg gesetzt, auch deswegen, weil sie spürte, dass sie diese jüdischen Wurzeln in sich trägt und sie nicht verkümmern lassen will.
In einem faszinierenden und bewegenden Buch hat sich Johanna Adorjan auf die Suche gemacht nach der Geschichte ihrer Großeltern und etwas herausgefunden, was sie sicher vor Beginn ihrer Recherchen spürte, sonst hätte sie sie nicht begonnen: die Geschichte und das Schicksal ihrer Großeltern haben viel zu tun mit ihr selbst und mit ihrem bisherigen Leben.
Sensibel und mit einer fast poetischen Sprache folgt sie dem Ablauf des letzten Tages ihrer Großeltern auf dieser Welt und lässt die beiden sich erinnern. Hier benutzt sie viele Informationen, die sie während ihrer Recherchereisen gesammelt hat, bei denen sie mit Menschen sprach und Quellen studierte, die ihr von dem Geschehen berichten konnten.
Sie erzählt von einem Ehepaar, das aus einer anderen Zeit zu stammen scheint. Beide siezen sich bis an ihr Lebensende und wollen bis zum Schluss nicht über ihre Vergangenheit sprechen. Als ungarische Juden hatten sie beide den Holocaust überlebt, mussten aber 1956 aus Budapest fliehen, weil dieses Mal im Namen des Kommunismus, dessen Anhänger sie nach 1945 geworden waren, Juden verfolgt wurden in dem Land, das sie doch so liebten.
Sie fingen in Dänemark eine neue Existenz an und verdrängten wie so viele Überlebende die Vergangenheit. Noch Johanna Adorjans Eltern halten sich an das Familiengebot, doch die Enkelin muss es brechen, will sie ihrerseits überleben.
Herausgekommen ist das Porträt eines exzentrischen Liebespaares und eine Liebesgeschichte, die aufwühlt und betroffen macht. Es ist die Biografie zweier Menschen, die den Holocaust überlebten und den Ungarnaufstand und gleichzeitig ein Bild einer Epoche, der Vera und Istvan noch ganz verhaftet waren.
Es ist die Aufteilung in zwei Stränge, die das Buch auszeichnet. Zum einen die genaue ( vorgestellte) Darstellung des letzten Tages der Großeltern und zum anderen die in Rückblicken eingeblendeten Erinnerungen der beiden. Ein Buch voller Poesie und Kraft. Es ist zu hoffen, dass Johanna Adorjan nach diesem wirklich bemerkenswerten Buchdebüt ihre erzählerische Kraft noch zu weiteren belletristischen Büchern nutzt.
Johanna Adorjan, Eine exklusive Liebe, Luchterhand 2009, ISBN 978-3-630-87291-9
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2013-04-15)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.