Wenn Schreibende gut sieben Dezennien an Lebenserfahrung in die literarische Wagschale werfen und obendrein Sozialarbeit studiert und zeitweise in der Drogenberatung gearbeitet haben, dürfte ihnen fast sprichwörtlich nichts Menschliches fremd gebieben sein. Inwieweit sich dies in ihren literarischen, zumal lyrischen Hervorbringungen manifestiert ist allemal spannend zu erkunden.
Der 1948 in Bochum geborene Günter Abramowski hat in den letzten drei Jahrzehnten mehrere Gedichtbände veröffentlicht; sein vorerst letzter, "das leichte ist im schweren" betitelt, ist Ende 2019 beim kleinen Hamburger Label elbaol erschienen. Der Titel verspricht in Verbindung mit dem Covermotiv, auf welchem ein Mann in langem schwarzen Mantel auf der linken Seite eines einrädrigen Karrens balanciert - als Gegengewicht rechts fungiert ein einziger leuchtend roter Luftballon - Hintergründiges oder Weltweises zu enthalten.
Und die Lesenden werden hierin nicht enttäuscht, wenn auch die mitevozierte ironische Brechung eher Mangelware bleibt. Dazu trägt nicht unwesentlich bei, dass Abramowski häufig keine Hilfsverben in seinen Satzkonstruktionen verwendet, was mitunter zu einem eher konservativ anmutenden Duktus führt, wobei die Aussage dem nicht selten eher entgegensteht:
"[...] lieber eine göttin die für mich lebt / als eines gottvaters sohn der für mich gestorben [...]"
Der Hinweis des Autors, dass es "von Vorteil [sei], die Gedichte in ihrer Reihenfolge zu lesen" lässt in der Tat einige grundlegende Muster seines Arbeitens recht deutlich hervortreten, verbindet er doch häufig Motive und Sujets über zwei oder gar mehrere Gedichte hinweg. So ergibt sich eine Art poetischer Girlande, die um die großen Lebensthemen kreist, ohne den Band in künstlich geschaffene Kapitel zerteilen zu müssen: immer wiederkehrende zentrale Begriffe von Gott, Welt, Menschsein, Leben, Liebe, Familie, Zeit und Erinnern werden in den Gedichten verhandelt, im Prinzip nicht weniger als "alles". Lediglich die Natur, die in manchen Texten vorkommt, tritt eher nicht in den Vordergrund, bleibt gewissermaßen Folie für Kultur, auf der menschliche Gedanken und Gefühle verhandelt werden.
Dabei sind die Gedichte ungeachtet ihres jeweiligen Themas ganz unterschiedlich lang, es gibt ein paar, die sich gar über mehrere Seiten erstrecken, oft suchend und tastend bis zu einem dann aber doch meist sehr klar formulierten Ende. Das poetisch Fesselnde scheint in den kürzen Texten jedoch unmittelbarer auf:
"zu den sternen // lichtsuchers / gedankenkollektion // raumfahre / meine grenzen // urtrieb / des staubs // zeit / ist aufzutragen"
Eine Auseinandersetzung mit Abramowskis knappen Gedichten, die zahlenmäßig deutlich überwiegen, erscheint oft lohnender als mit den umfangreicheren, die nicht selten über weite Strecken auch weniger originelle Bilder transportieren, wenn auch der Ausdruck durchaus zwischendurch recht drastisch werden kann. Reime verwendet Abramowski sehr sparsam, sie wirken glücklicherweise eher zufällig-verspielt als mühsam gesetzt und unterstreichen häufig vor allem die kurzen sinnspruchartigen Texte in ihrem Gehalt:
"weisheit // weisheit / muss verraten sein / sagt zu sich selbst sie leise / wenn ich nicht verraten wär / wäre ich nicht weise"
Natürlich, wie könnte es beim biografischen Hintergrund des Autors auch anders sein, finden auch gesellschaftskritische Töne in Abramowskis Texte. Doch das Moment der Reflexion über Gedachtes, Erträumtes, aber auch gelebtes Leben überwiegt. Und so ist "das leichte ist im schweren" ein nachdenkliches und von ungebrochener Lebenserfahrung erfülltes Buch geworden.