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AALFAA EnterBrainMent - KULT/ Literaturzeitschrift

KULT/ Literaturzeitschrift

Rechtzeitig in die vorweihnachtliche Zeit trifft den Leser die neueste Ausgabe der „Kult“, Nr.26/07 , „unser aller Poesy-Chaoticum.
„Schäublefrei und ratzingerresistent“ garantiert der Herausgeber, Karl Heinz Schreiber, auf dem hellblauen Cover im DIN A 4 Format. Die Grafiken sind von Joachim Durrang.
Die vorliegende Ausgabe präsentiert sich vorwiegend existenzphilosophisch und zeigt (fast) die gesamte literarische Stilbreite.
Da findet der Leser z.B. eine intelligente Satire, die sich mit dem „ernsthaften Literaten“ befasst (Thilo Schneider) und auf der nächsten Seite eine kurze Abhandlung von Thom Delißen zum „Sinn hinter den Zeilen“. Der Autor beschäftigt sich hier mit den Möglichkeiten der Literaturmacher, komplexen gesellschaftlichen Strömungen und Tendenzen innerhalb der Gesellschaft, die von Gewinnmaximierern maßgeblich beeinflusst werden, aufklärerisch nachvollziehbar entgegen zu wirken und zwar mit dem Ziel diesbezügliche Strukturen zu entlarven.
Auf Wilhem Reich hätte der Autor m.E. mit spaltenfüllenden Zitaten gar nicht zurückgreifen müssen.

Barbara Zeizinger,schildert („Und keine Worte“) u.a.eine Folterszene, die der italienische Maler Jacopo Tintoretto bereits im 16. Jahrhundert auf Leinwand bannte und nimmt Bezug auf Foltermethoden, die bis in die Jetztzeit noch angewendet wurden/werden: das Opfer zunächst in seiner Nacktheit zu erniedrigen, bevor die eigentlichen Folterhandlungen einsetzen. Die Betroffenheit, die im Leser ausgelöst sein mag, wird durch ein voran gestelltes Gedicht verstärkt.
Erleichtert mag der Leser am Schluss ihrer Ausführungen zur Kenntnis nehmen, dass in Argentinien erstmals „nach Aufhebung der Amnestiegesetze“ ein wegen Folterei während der Militärdiktatur Angeklagter verurteilt wurde.

Zu einem Ausritt in die Phänomenologie wird der Leser der neuesten KULT eingeladen, wenn Dittmar Werner über das „Leben als transzendentale Subjektivität“ referiert, was der Autor selbstkritisch als Versuch offeriert, wenn er auf Edmund Husserl (1859-1938) eingeht.
Was sich da eingangs seiner Ausführungen so schwer verstehen lässt, könnte ein Laie so ausdrücken:
Ein Computer ist in der Lage, eingegebene Informationen zu speichern, ohne ein ICH zu entwickeln. Um die im PC gespeicherten Inhalte auswertend in eine Richtung zu lenken, bedarf es den Menschen.
Beim Menschen kommt eben das Bewusstsein hinzu, das aus der Wahrnehmung gebildet wird. Beides ist Grundlage für die Fähigkeit der Auswertung und der Sinngebung des Erfahrenen.
Aber wie bei jeder philosophischen Auslegung der Meta ta Physika (das den Menschen umgebende Seiende mit all seinen Erscheinungsformen) wird es auch bei Dittmar Werner proportional zur Länge seiner Ausführungen zunehmend –äh – schwieriger. Da will die Interpretation der Lebensphänomenologie nicht hinter z.B. Immanuel .Kant zurückstehen, jedenfalls nicht bei Husserl und folgerichtig bei Dittmar Werner auch nicht , der die Leiblichkeit dem „zentralen Phänomen von Lebensorientierung, das sich Objektivierungen wissenschaftlich–empirischer Lehrsätze entzieht, zuordnet. „Vielmehr bleibt diese Leiblichkeit für existentielle Kontingenzen und Möglichkeiten offen“.
Aha! Diesen erkenntniskritischen Satz finden wir laut Fußnote bei Hua IV, Band 2, Ideen II.
Nein! Das ist nur ein beliebiger Auszug aus dem Geschriebenen, das – dem Himmel sei Dank – nicht über eine DIN A 4 Seite hinaus geht....
Ich halte es da mehr mit dem forensischen Kernsatz: „Ich gähne, also schlafe ich nicht!“

Wenn der Leser das Forum verlassen hat, betritt er die Bühne der Lyriker. Und da gewinnt in dieser Ausgabe die Ratio die Überhand, da wird es zunehmend kritischer, vereinzelt tauchen Anfeuerungsrufe auf, wenn auch z.T. zweideutig (Reliwette).
Auf Seite 19 erblicke ich ein abstraktes (graphisches) Bildnis des jungen Konrad Adenauer
Von J. Durrang. Ich würde es untertiteln: „Adenauer mit 77“ – aber das ist wohl nur meine Interpretation des Geschaffenen, denn dem Werk ist kein Titel zugeordnet.

Viel Arbeit hat sich wieder der Herausgeber gemacht mit seinen Rezensionen, von denen ich nur zwei herausgreifen will:
„Glücklicher Atheist“
Richard Dawkins, Der Gotteswahn
(Ullstein Verlag, Berlin 2007) 575 Seiten, €22,90

und dessen Gegenpart:

„Krankhaft“?
Alister McGrath. Der Atheismus-Wahn
(Gerth Medien, Asslar 2007) 149 Seiten, € 9,95

Es fällt auf, dass Schreiber in vorliegender Ausgabe seine Rezensionen ausführlicher gestaltet, wobei er Politik und der Literatur gleich viel Aufmerksamkeit schenkt. Obwohl, ein politisches Werk kann Literatur und Literatur kann politisch sein – die Trennung erfolgt wohl mehr nach den Themen, mit denen sich bekannte und weniger bekannte Autoren befassen.
Helmut Kohls Autobiografie suchte ich jedenfalls vergebens, aber die wäre wohl vermutlich weder unter „rezyLYTERATYR“ noch unter „rezyPOLYTYK“ zu entdecken.....

Zum Abschluss noch die Prosa von Ulrich Bergmann, die hier nicht verschwiegen werden soll:
Wer TERRES ist – so lautet die Überschrift seiner existenzphilosophischen (betrüblichen Betrachtungen) – ist mir verborgen geblieben, aber mir fiel dazu „terre des homme“ ein.
Aber Terres ist der Orgelspieler, der Protagonist , von dem die Schrift ist, der lieber heute als morgen sterben würde, gäbe man ihm besagtes Pülverchen. Ein Suicid auf herkömmliche Weise kommt für ihn nicht in Betracht, da mag noch so viel Wind aus der Orgel kommen.
Wie soll er aus der Badewanne entkommen, wenn er sich in ihr ums Leben schneidet?
Und wenn er schon stürbe, am Fleischlichen faulend, müsse doch zumindest der Kopf erhalten bleiben.
Das marode Geschehen steigert der Autor unter Einbeziehung verschiedener „gesellschaftlicher Zustände“, die durch Abschnitte von einander getrennt sich dem kopfschüttelnden Leser offenbaren, wobei markante Überschriften in kursiver Typografie die Exkursionen in die Betrachtungen Bergmmanns einleiten: „Misten“, „Verwurstung“, „Schlachten“, „Bierbeißer“, "Cis".
Nicht nur die „Fressgewohnheiten“ des Menschen werden gut recherchiert beschrieben, sondern auch die Zutaten zu verschiedenen „Wurstsorten“, welche den einzelnen Kasten zugeordnet werden :die Plebejer müssen sich mit den Schwarten begnügen.
Der Klerus wird an der Aufbereitung der Innereien und dem gesellschaftlichen späteren Verdaunis beteiligt. Nein – es ist der Kopf von Terres, der vom Priester zubereitet wird.
/„Terres spielte sich mit Händen und Füßen in ungedachte Räume. Die Atmosphäre wusch sich, wenn die Orgelfürze in die Kirche knallten, die Schlachthalle“/
Man könnte auch jede andere Stelle zitieren – sie aus dem Zusammenhang reißen, der Leser wird stets fündig.

Ein Besuch in der Schlachterhalle überzeugt den Leser, dass Bergmann weiß, worüber er schreibt, besonders wenn der Autor selbst die Rolle des Schlachtviehs übernimmt – bzw. TERRES, der an einer anderen Stelle des Geschriebenen, selbst verwurstet, in den Handel gelangt.
Bergmann schreibt (und empfindet) brutal, aber er verweigert sich den Dogmen, einem eigenen – erst recht den Ismen und Schismen z.B. des Klerus.
Seine spitze Feder mag schlafende Zeitgenossen erschrecken und ihnen ein imaginäres Weltbild vermiesen, möglicherweise aber auch Türen öffnen in eine erkenntniskritische Welt, die ein Umdenken einfordert.

Kult, 56 Seiten, Issn 0944-2162
Einzelausgaben € 3,50 / im Abo ( 2 Ausgaben pro Jahr ) € 7.-
Austauschanzeigen und - Abos willkommen!
Redaktion: AALFAA EnterBrainMent
c/o Karlyce Schrybyr

Sportplatzstr. 21 b D- 63773 Goldbach

e-mail:schreiber.space@gmx.de - home: www.aalfaa.de

Redaktionsschluss für die Ausgabe 27/08 ist der 31.März 2008
Einsendungen von Text und Grafik auf Diskette / CD oder per e-mail werden bevorzugt!
Alle Rechte bei den Autorinnen u. Autoren.

Reliwette, Hartmut T.
2007

[*] Diese Rezension schrieb: Reliwette (2007-12-12)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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